Für die Übereinstimmung mit dem Original wird keine Verantwortung übernommen.
BVerfG, Beschluss vom 18. Juni 1986 - 1 BvR 857/85 -, BVerfGE 72, 122-141
Leitsatz
1. Zur Vertretung Minderjähriger im Verfassungsbeschwerdeverfahren, wenn die sorgeberechtigten
Eltern an der Wahrnehmung der Interessen ihres Kindes verhindert sind.
Orientierungssatz
1. Für die Vertretung Minderjähriger in Verfassungsbeschwerdeverfahren in Fällen,
in denen ein Interessenkonflikt zwischen Sorgeberechtigtem und Kind nicht auszuschließen
ist, wird künftig ein Ergänzungspfleger zu bestellen sein, sofern der Gesetzgeber
nicht in anderer Weise für eine hinreichende Berücksichtigung der Kindesinteressen
im Verfassungsbeschwerdeverfahren sorgt.
2. Wurde versäumt, einen Ergänzungspfleger zu bestellen, so kann es unter Beachtung
von Art 6 Abs 2 S 2 möglicherweise gerechtfertigt sein, im verfassungsgerichtlichen
Verfahren ausnahmsweise Vertreter zuzulassen, die nicht förmlich bestellt worden
sind. Als solche kommen Personen in Betracht, die das Kind über einen nicht unerheblichen
Zeitraum befugtermaßen in Obhut hatten.
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.
Gründe
A.
- Die Verfassungsbeschwerde betrifft Beschlüsse, die eine im einstweiligen Anordnungsverfahren
ergangene Entscheidung des Amtsgerichts aufgehoben haben, mit welcher der nichtehelichen
Mutter der Beschwerdeführer zu 1) das Sorgerecht für ihre Kinder entzogen und auf
den Beschwerdeführer zu 2) übertragen worden war.
I.
- Das Recht und die Pflicht, für ein nichteheliches minderjähriges Kind zu sorgen,
steht grundsätzlich der Mutter zu (§ 1705 Satz 1 BGB). Sie kann die Herausgabe des
Kindes von jedem verlangen, der es ihr widerrechtlich vorenthält (§ 1632 Abs. 1
BGB). Wird allerdings das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes durch
mißbräuchliche Ausübung des Sorgerechts, durch Vernachlässigung des Kindes oder
durch ein unverschuldetes Versagen der nichtehelichen Mutter gefährdet, so kann
das Vormundschaftsgericht sogar Maßnahmen treffen, mit denen eine Trennung des Kindes
von seiner Mutter verbunden ist. Diese sind jedoch nur zulässig, wenn der Gefahr
nicht auf andere Weise begegnet werden kann (§ 1666 Abs. 1 Satz 1, § 1666 a Abs.
1 BGB; vgl. BVerfGE 60, 79 (80 ff.)).
- Gegen eine Verfügung, die eine Entscheidung über eine die Sorge für die Person
des Kindes betreffende Angelegenheit enthält, ist jeder beschwerdeberechtigt, der
ein berechtigtes Interesse hat, diese Angelegenheit wahrzunehmen (§ 57 Abs. 1 Nr.
9 FGG).
II.
- 1. Die unverheiratete Mutter der Beschwerdeführer zu 1) reiste mit den damals
acht und fünf Jahre alten Kindern als Asylsuchende im Dezember 1981 aus Zaire in
die Bundesrepublik Deutschland ein. Der Asylantrag wurde zwischenzeitlich rechtskräftig
abgewiesen.
- Nachdem die Familie zunächst in einem Hotel untergebracht worden war, wurde sie
Anfang September 1982 in eine Wohnung eingewiesen, in der schon Verwandte lebten.
Wegen Streitigkeiten innerhalb der Wohngemeinschaft verließ die Mutter mit ihren
Kindern bereits nach wenigen Tagen die Unterkunft, suchte das Sozialamt aus und
verlangte eine andere Wohnung. Es kam zu einer heftigen Auseinandersetzung, die
damit endete, daß die Mutter ohne ihre Kinder die Behörde verließ. Diese wurden
in einer Jugendschutzstelle untergebracht, von wo sie ihre Mutter wieder abholte,
nachdem sie sich eigenmächtig eine zufällig freistehende Wohnung verschafft hatte,
die sie bald wieder räumen mußte. Nunmehr ging sie mit den Beschwerdeführern zu
einer Polizeiwache und wies sie an, dort hineinzugehen; man werde ihnen helfen.
Nach vorübergehend anderer Unterbringung kamen die Beschwerdeführer zu 1) in das
Heim des Beschwerdeführers zu 3).
- Die Mutter erhielt zeitweise Sozialhilfe, soll aber nach der Behauptung des Jugendamtes
zusätzliche Einnahmen gehabt haben. Sie wurde einmal in einer Bar angetroffen, bestreitet
aber entschieden, der Prostitution nachgegangen zu sein. Im übrigen soll sie versucht
haben, sich unter falschem Namen Sozialhilfe zu erschleichen.
- Wegen des Verdachts des Straßenraubs an einer Frau aus Ghana wurde gegen die Mutter
der Beschwerdeführer zu 1) ein Strafverfahren eingeleitet. Weil sie zur Hauptverhandlung
nicht erschienen war, erging gegen sie Haftbefehl. Nach ihrer Festnahme befand sie
sich zunächst in Untersuchungs- und dann in Abschiebungshaft. Sie erklärte, ohne
die Beschwerdeführer die Bundesrepublik Deutschland nicht verlassen zu wollen. Das
Ausländeramt versuchte zweimal vergeblich, sie allein nach Zaire auszufliegen. Jedesmal
leistete sie erheblichen Widerstand, so daß der Pilot sich weigerte, sie mitzunehmen.
- Nach Aufhebung der Abschiebungshaft wollte die Frau die Haftanstalt nicht verlassen,
weil sie befürchtete, von der Polizei aufgegriffen und ohne die Beschwerdeführer
abgeschoben zu werden. Schließlich wurde sie zwangsweise aus der Haftanstalt entfernt.
Wegen ihres Verhaltens bei ihrer Entlassung wurde sie vorübergehend in eine psychiatrische
Anstalt eingewiesen und kam dann in ein Aufnahmeheim für Asylbewerber.
- 2. Als der Beschwerdeführer zu 3) im Mai 1984 von der Ausländerbehörde darüber
unterrichtet wurde, daß die Beschwerdeführer zu 1) mit ihrer Mutter nach Zaire verbracht
werden sollten, beantragte er die Anordnung einer Sorgerechtspflegschaft und die
Bestellung des Beschwerdeführers zu 2) als Pfleger. Der Antrag wurde durch die Stellungnahme
einer Diplom-Psychologin unterstützt.
- a) Der Mutter wurde daraufhin im einstweiligen Anordnungsverfahren das Sorgerecht
für die Beschwerdeführer zu 1) entzogen und auf den Beschwerdeführer zu 2) übertragen.
- Auf die Beschwerde der Mutter hob das Landgericht die Anordnung auf. Die Voraussetzungen
der §§ 1666, 1666 a BGB lägen nicht vor. Es sei nicht erkennbar, daß das körperliche,
geistige oder seelische Wohl der Beschwerdeführer zu 1) gefährdet wäre, wenn die
Mutter ihre Aufenthalt bestimmen und auch sonst für sie sorgen könne. Schon der
Umstand, daß die Mutter die Beschwerdeführer in die Bundesrepublik Deutschland mitgenommen
habe, zeige ihre natürlichen mütterlichen Gefühle und ihre enge Bindung zu ihnen.
Die Beschwerdeführer hätten bestätigt, daß ihre Mutter sie niemals schlecht behandelt
oder gar mißhandelt, sondern immer für sie gesorgt habe. Selbst unter Berücksichtigung
der "Aussetzungen" ergebe sich nichts Gegenteiliges. Sie seien nur erfolgt,
weil die Mutter sich nicht in der Lage gesehen habe, die Beschwerdeführer zu versorgen.
In diesem Zusammenhang sei es unerheblich, daß sie ihre Notlage möglicherweise selbst
herbeigeführt habe. Daß die Mutter die Beschwerdeführer in den letzten Monaten vor
ihrer Inhaftierung nur noch selten im Kinderheim besucht habe, sei - soweit feststellbar
- nicht auf ihre Gleichgültigkeit ihnen gegenüber zurückzuführen. Sie habe vielmehr
glaubhaft, zumindest unwiderlagbar, erklärt, daß sie wegen der Illegalität ihres
Aufenthalts den Zugriff der Polizei befürchtet habe.
- Die Ablehnung des Asylantrags beruhe darauf, daß die Mutter keine Verfolgung in
ihrem Heimatland zu befürchten habe. Es sei daher davon auszugehen, daß sie und
die Beschwerdeführer zu 1) ohne Gefahr nach Zaire zurückkehren könnten. Die Mutter
habe zwar erklärt, daß sie in Zaire getötet werden würde, weil sie dort ein "Problem"
habe. Dies sei jedoch völlig unglaubhaft. Für die Vermutung des Beschwerdeführers
zu 2), die Mutter wolle die Beschwerdeführer zu 1) mit in den Tod nehmen, gebe es
keine ernsthaften Anhaltspunkte.
- Daß sich die Beschwerdeführer zu 1) in ihrer jetzigen Umgebung gut entwickelt
hätten, stelle nach Auffassung der Kammer keinen hinreichenden Grund dafür dar,
der Mutter das Sorgerecht zu entziehen. Diese günstige Entwicklung werde zwar mit
hoher Wahrscheinlichkeit unterbrochen, wenn sie mit ihrer Mutter die Bundesrepublik
Deutschland verlassen müßten. Bei der starken emotionalen Bindung der Mutter an
die Beschwerdeführer würden sich diese in ihrem Heimatland aber wieder eingewöhnen.
- Auf die weitere Beschwerde der Beschwerdeführer zu 2) und 3) hob das Oberlandesgericht
den Beschluß des Landgerichts auf und verwies die Sache zurück, weil weitere Ermittlungen
erforderlich seien. Dabei ging das Oberlandesgericht von der internationalen Zuständigkeit
der deutschen Gerichte jedenfalls für das einstweilige Anordnungsverfahren aus (Art.
1 und 8 des Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende
Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom 5. Oktober 1961 - MSA -
(BGBl. II 1971, S. 217)).
- b) Das Landgericht blieb bei seinem Ergebnis, der festgestellte Sachverhalt rechtfertige
nicht die endgültige Trennung der Beschwerdeführer von ihrer Mutter, die mit deren
Abschiebung verbunden sei. Der Straßenraub sei mit hoher Wahrscheinlichkeit eine
Racheaktion der Mutter und ihrer Zwillingsschwester gegen die Geliebte des Ehemannes
der Schwester gewesen. Selbst wenn - was nicht feststehe - die Mutter der Prostitution
nachgegengen sei, so liege darin keine Verletzung ihrer Elternpflichten. Daß sie
versucht haben solle, mit falschen Angaben Sozialhilfe zu erhalten, sei für das
vorliegende Verfahren unbeachtlich.
- Die Beschwerdeführer zu 1) hätten nach ihrem zweieinhalbjährigen Aufenthalt beim
Beschwerdeführer zu 3) wohl andere Bezugspersonen als ihre Mutter gewonnen. Diese
würden sie aber auch dann verlieren, wenn sie in der Bundesrepublik Deutschland
blieben; denn es sei beabsichtigt, sie in eine Pflegestelle zu geben. Selbst wenn
die Beschwerdeführer nicht mit ihrer Mutter nach Zaire zurückkehren wollten und
die Tochter nicht einmal im Gerichtssaal mit ihrer Mutter habe zusammentreffen wollen,
sei nicht zu befürchten, daß die Beschwerdeführer wegen der Rückkehr zu ihrer Mutter
seelischen Schaden erleiden würden. Sie seien immerhin bald zwölf und neun Jahre
alt; die Trennung von ihrer Mutter sei zu einer Zeit erfolgt, in der sie zu ihr
bereits eine feste Bindung gehabt hätten.
- c) Die erneute Beschwerde der Beschwerdeführer zu 2) und 3) blieb erfolglos.
- Entgegen der Auffassung dieser Beschwerdeführer lasse § 1666 BGB einen Eingriff
in die elterliche Sorge nicht bereits bei jeder Beeinträchtigung oder Gefährdung
des Kindeswohls zu. Dies sei auch schwerlich mit Art. 6 Abs. 2 und 3 GG vereinbar.
Ein Unvermögen der Mutter zur Erziehung oder Versorgung der Beschwerdeführer zu
1), das eine weitere Trennung der Kinder von ihr rechtfertigen könne, sei ihr nicht
anzulasten. Der Hinweis darauf, daß bei der Weggabe eines Kindes in Familienpflege
allein die Dauer des Pflegeverhältnisses zu einer Anordnung des Verbleibens durch
das Vormundschaftsgericht nach § 1632 Abs. 4 BGB führen könne, wenn eine schwere
und nachhaltige Schädigung des körperlichen oder seelischen Wohlbefinden des Kindes
bei seiner Herausgabe an die Eltern zu erwarten sei (vgl. BVerfGE 68, 176), gehe
fehl; die Beschwerdeführer zu 1) befänden sich in Heim- und nicht in Familienpflege.
Anhaltspunkte für eine so schwerwiegende Störung des Verhältnisses der Beschwerdeführer
zur Mutter, daß allein schon die Rückführung zu ihr psychische Schäden befürchten
ließen, seien nicht ersichtlich. Deshalb seien auch ergänzende gutachterliche Feststellungen
zu dieser Frage nicht erforderlich.
- Verlangten die Gesetze eine Aufenthaltsstaats von einem Sorgeberechtigten die
Ausreise, werde die Rückkehr in den Heimatstaat danach für zumutbar erachtet und
gegebenenfalls zwangsweise durchgesetzt, so könne es nicht als ein Mißbrauch der
elterlichen Sorge gewertet werden, wenn der Sorgeberechtigte sich nicht von seinen
Kindern trennen wolle. Das Landgericht habe im übrigen zutreffend darauf hingewiesen,
das Schicksal, das die Beschwerdeführer bei ihrer Rückkehr nach Zaire erwarte, sei
zwar ungewiß; in den Augen der Mutter müsse sich deren Entwicklung im Fall eines
Verbleibens in der Bundesrepublik Deutschland aber in gleicher Weise als unsicher
darstellen. Auch dies schließe es aus, das Beharren der Mutter auf Herausgabe der
Beschwerdeführer als Sorgerechtsmißbrauch anzusehen.
- 3. Mit der gegen die letzten Beschlüsse des Landgerichts und des Oberlandesgerichts
erhobenen Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer einen Verstoß gegen Art.
1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und 2, Art. 3 Abs. 3, Art. 6 Abs. 2 und Art. 103 Abs. 1
GG.
- a) Die Beschwerdefüührer zu 2) und 3) halten sich bei analoger Anwendung des §
57 Abs. 1 Nr. 9 FGG für befugt, Grundrechte der Beschwerdeführer zu 1) geltend zu
machen. Die Mutter habe kein Interesse daran, die für sie günstigen Entscheidungen
mit der Verfassungsbeschwerde anzugreifen. Die verfassungsmäßigen Rechte de Beschwerdeführer
zu 1) müßten daher durch Dritte wahrgenommen werden können.
- Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführer zu 1) sei gleichfalls zulässig.
Die jetzigen Bevollmächtigten seien zwar im Sorgerechtsverfahren nicht für die Beschwerdeführer
zu 1) aufgetreten. Das sei aber schon deshalb nicht möglich gewesen, weil diese
im einstweiligen Anordnungsverfahren nicht formell Beteiligte gewesen seien. Da
die Beschwerdeführer zu 1) durch die angegriffenen Entscheidungen in ihren Grundrechten
verletzt sein könnten, müßten sie das Recht haben, Verfassungsbeschwerde zu erheben.
Die Beschwerdeführer zu 2) und 3) hätten über längere Zeit die Verantwortung für
die minderjährigen Beschwerdeführer getragen. Daraus folgt ihre Befugnis, in Wahrnehmung
der Interessen der Beschwerdeführer zu 1) für diese wirksam Prozeßvollmacht für
die Erhebung der Verfassungsbeschwerde zu erteilen.
- b) Die Verfassungsbeschwerde sei auch begründet.
- Das Oberlandesgericht gehe davon aus, daß die Beschwerdeführer zu 1) in Zaire
einer drückenden wirtschaftlichen und sozialen Not entgegensehen müßten. Aus der
Vorgeschichte ergebe sich zudem, daß sie in ihrer Heimat Mißhandlungen ausgesetzt
sein würden. Gleichwohl habe das Gericht der Mutter das Sorgerecht zuerkannt und
damit die Grundrechte der Beschwerdeführer zu 1) auf Wahrung der Menschenwürde und
auf freie Entfaltung der Persönlichkeit verletzt. Die Gerichte hätten das Wächteramt
des Staates nicht in der von Verfassungs wegen gebotenen Weise wahrgenommen. Vergleichbare
gerichtliche Entscheidungen bei Beteiligung einer deutschen unverheirateten Frau
mit zwei kleinen Kindern seien nicht vorstellbar. Insoweit liege ein Verstoß gegen
Art. 3 Abs. 3 GG vor. Den Kindeswillen, der zu berücksichtigen gewesen sei, hätten
die Gerichte außer auch gelassen. Die Beschwerdeführer hätten zu ihrer Mutter keine
Bindungen mehr. Beide hätten erklärt, nicht mit ihrer Mutter nach Afrika gehen zu
wollen. Die Tochter habe sogar Angst vor ihrer Mutter.
- Des weiteren rügen die Beschwerdeführer neben mangelnder Sachaufklärung, daß ihnen
ein Schriftsatz des Prozeßbevollmächtigten der Mutter der Beschwerdeführer zu 1)
erst nach Erlaß der Entscheidung des Oberlandesgerichts zugegangen sei. Dieser habe
zur Auslegung des hier maßgeblichen § 1666 BGB unrichtige Rechtsausführungen enthalten,
auf denen auch die angegriffenen Beschlüsse beruhten. Ihnen sei nicht die Möglichkeit
gegeben worden, zu dem Schriftsatz Stellung zu nehmen.
III.
- 1. Nach Auffassung des Bundesministers der Justiz, der sich für die Bundesregierung
geäußert hat, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig.
- Die Beschwerdeführer zu 2) und 3) seien nicht berechtigt, eine mögliche Verletzung
von Grundrechten der Beschwerdeführer zu 1) im eigenen Namen zu rügen. Das ergebe
sich aus Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG. Danach könne ein Beschwerdeführer
eine Verfassungsbeschwerde nur mit der Behauptung erheben, in einem seiner Grundrechte
verletzt zu sein. Durch Vereinssatzung könne die Beschwerdebefugnis nicht erweitert
werden. § 57 Abs. 1 Nr. 9 FGG gelte nur für das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit.
- Die Erhebung der Verfassungsbeschwerde für die Beschwerdeführer zu 1) sei durch
einen vollmachtlosen Vertreter erfolgt. Der Beschwerdeführer zu 2) habe durch den
Beschluß des Vormundschaftsgerichts keine Rechtsposition erlangt, die ihn zur Vertretung
der Beschwerdeführer zu 1) berechtige; denn dieser sei wieder aufgehoben worden.
- Die Beschwerdeführer zu 1) seien aber auch nicht in ihren Grundrechten aus Art.
2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 GG verletzt. Die vom Bundesverfassungsgericht
aufgestellten Grundsätze zu den Voraussetzungen eines staatlichen Eingriffs in das
Elternrecht nach § 1666 Abs. 1, § 1666 a BGB seien in den angegriffenen Beschlüssen
beachtet worden.
- 2. Die Mutter der Beschwerdeführer zu 1) weist insbesondere darauf hin, daß ein
Verbringen der Kinder nach Zaire nicht auf ihrem freiwilligen Entschluß, sondern
auf einer staatlichen Zwangsmaßnahme beruhen würde. Ihre Ausreiseverpflichtung sei
das Ergebnis der herrschenden Rechtsprechung zum Ausländer- und Asylrecht, nach
der die Bundesrepublik Deutschland kein Einwanderungsland sei. Unter diesen Umständen
dürfe eine mögliche Beeinträchtigung des Wohls der Beschwerdeführer zu 1) wegen
der schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse in ihrem Heimatland nicht zum Entzug
des Sorgerechts führen. Dise Maßnahme ließe sich nur dann rechtfertigen, wenn das
Zusammenleben der Familie in der Bundesrepublik Deutschland das körperliche, seelische
ode geistige Wohl de Beschwerdeführer zu 1) beeinträchtigen könnte. Entsprechende
tatsächliche Feststellungen seien aber nicht getroffen worden.
- Im übrigen sei die von den Beschwerdeführern begehrte Sorgerechtsentziehung unverhältnismäßig.
B.
I.
- 1. Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführer zu 2) und 3) ist unzulässig,
soweit sie in eigenem Namen die Verletzung von Grundrechten der Beschwerdeführer
zu 1) rügen, da nur derjenige, der selbst durch einen staatlichen Hoheitsakt betroffen
ist, Verfassungsbeschwerde erheben kann. Diese Betroffenheit ist nicht deshalb gegeben,
weil der Beschwerdeführer zu 3) das Sorgerechtsverfahren eingeleitet hat und die
anschließenden gerichtlichen Verfahren von den Beschwerdeführern zu 2) und 3) durchgeführt
worden sind. Zwar gewährt § 57 Abs. 1 Nr. 9 FGG auch Dritten das Recht, in Sorgerechtsverfahren
in eigenem Namen Beschwerde zu erheben, soweit ein berechtigtes Interesse an der
Wahrnehmung dieser Angelegenheit gegeben ist. Diese Regelung ist auf das Verfahren
der freiwilligen Gerichtsbarkeit zugeschnitten und läßt sich auf das Verfassungsbeschwerdeverfahren
nicht ohne weiteres übertragen. Ihre Anwendung liefe auf die Geltendmachung fremder
Grundrechte in eigenem Namen hinaus. Die Verfassungsbeschwerde kann aber nicht im
Wege der Prozeßstandschaft erhoben werden (vgl. BVerfGE 25, 256 (263); 31, 275 (280)
m. w. N.).
- 2. Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführer zu 2) und 3) ist auch unzulässig,
soweit eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG gerügt wird. Zwar können sie sich
grundsätzlich auf dieses Verfahrensgrundrecht berufen, da sie nach den Bestimmungen
des Gesetzes über die Freiwillige Gerichtsbarkeit Beteiligte des Verfahrens waren,
das zu den angegriffenen Entscheidungen geführt hat (vgl. BVerfGE 21, 362 (373)).
Es fehlt aber an einer hinreichenden Substantiierung dieser Rüge (§ 92 BVerfGG).
- Die Beschwerdeführer machen geltend, das Gericht habe ihnen vor der Entscheidung
keine Möglichkeit gegeben, Stellung zu einem Schriftsatz der Mutter der Beschwerdeführer
zu 1) zu nehmen, der unrichtige Rechtsausführungen zu § 1666 BGB enthalten habe.
Aus den Gründen des oberlandesgerichtlichen Beschlusses ergibt sich aber, daß dem
Gericht die abweichende Rechtsansicht der Beschwerdeführer bekannt war und daß es
diese zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Bei dieser Sachlage hätten
die Beschwerdeführer darlegen müssen, was sie über ihr bisheriges Vorbringen hinaus
noch hätten äußern wollen, wenn ihnen eine Schriftsatzfrist eingeräut worden wäre.
Dies ist Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Rüge der Verletzung von Art. 103
GG (vgl. BVerfGE 66, 155 (175)).
II.
- Soweit die Verfassungsbeschwerde von den Beschwerdeführern zu 1) erhoben worden
ist, kann ihre Zulässigkeit unterstellt werden, da sie jedenfalls gemäß § 24 BVerfGG
aus Gründen des materiellen Rechts zu verwerfen ist. Dabei kann ohne abschließende
Entscheidung davon ausgegangen werden, daß der Beschwerdeführer zu 3) für die Kinder
die Verfahrensbevollmächtigten bestellen durfte. Dieser hat die Beschwerdeführer
zu 1) während eines nicht unerheblichen Zeitraums in seine Obhut genommen, nachdem
die Mutter sich erkennbar mit einer Unterbringung ihrer Kinder in einer dafür geeigneten
Einrichtung durch ihre "Aussetzung" einverstanden erklärt hatte.
- 1. Sorgerechtsentscheidungen, die das weitere Leben von Kindern entscheidend beeinflussen,
betreffen diese unmittelbar und können sie in ihren Grundrechten verletzen. Unabhängig
davon ist aber die Frage zu beantworten, wie Verstöße gegen Grundrechte der minderjährigen
Kinder im Verfassungsbeschwerdeverfahren in zulässiger Weise gerügt werden können.
- a) Das Gesetz über das Bundesverfassungsgericht enthält keine Bestimmungen über
die Prozeßfähigkeit. Es bleibt damit dem Gericht überlassen, insoweit die Rechtsgrundlage
für eine zweckentsprechende Gestaltung dieses Verfahrens im Wege der Analogie zum
sonstigen Verfahrensrecht zu finden (BVerfGE 1, 109 (110); 28, 243 (254); 51, 405
(407)). Die einschlägigen Verfahrensordnungen knüpfen hinsichtlich der Prozeßfähigkeit
durchweg an die Geschäftsfähigkeit nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts
an. Für das im Ausgangsverfahren maßgebliche Prozeßrecht fehlt zwar eine Vorschrift
darüber, wer fähig ist, seine Rechte selbst auszuüben. Nach herrschender Meinung
sind aber auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit grundsätzlich die Vorschriften
des bürgerlichen Rechts über die Geschäftsfähigkeit entsprechend anzuwenden (vgl.
Bumiller/Winkler, FGG, 3. Aufl., vor § 13 Anm. 3). In Angelegenheiten, die seine
Person betreffen, kann ein Kind, das das 14. Lebensjahr vollendet hat, allerdings
selbständig ohne Mitwirkung seines gesetzlichen Vertreters das Beschwerderecht ausüben
(§ 59 Abs. 1 und 3 FGG). Ob in Anlehnung daran Minderjährigen, die das 14. Lebensjahr
vollendet haben, die Prozeßfähigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren gegen
Sorgerechtsentscheidungen zuerkannt werden kann (bejahend: Fehnemann, Die Innehabung
und Wahrnehmung von Grundrechten im Kindesalter, 1983, S. 52), braucht hier nicht
entschieden zu werden; denn die Beschwerdeführer zu 1) erfüllen diese Bedingung
nicht.
- b) Die elterliche Sorge umfaßt die Vertretung des Kindes (§ 1629 Abs. 1 Satz 1
BGB) und schließt damit grundsätzlich die Befugnis ein, für die minderjährigen Kinder
Verfassungsbeschwerde einzulegen und diese im verfassungsgerichtlichen Verfahren
zu vertreten. Inwieweit dieses Recht auch dann besteht, wenn ein Interessenkonflikt
zwischen Sorgeberechtigtem und Kind nicht auszuschließen ist, hat das Bundesverfassungsgericht
bisher offengelassen (BVerfGE 68, 176 (184)).
- Im vorliegenden Fall ist ein derartiger Konflikt zwischen den Beschwerdeführern
zu 1) und ihrer Mutter offensichtlich. Die Mutter hatte zudem keinen Anlaß, gegen
die aus ihrer Sicht günstige Sorgerechtsentscheidung Verfassungsbeschwerde für ihre
Kinder mit dem Ziel einzulegen, daß sie entgegen ihrem eigenen Wunsch von diesen
getrennt blieb.
- Bei dieser Sachlage kam die Erhebung der Verfassungsbeschwerde für die Beschwerdeführer
zu 1) durch ihre nach bürgerlichem Recht zur Vertretung berufenen Mutter nicht in
Betracht.
- 2. Das kann aber nicht bedeuten, daß den Beschwerdeführern zu 1) die Möglichkeit
genommen ist, Grundrechtsverletzungen mit der Verfassungsbeschwerde geltend zu machen.
- Entscheidungen im Sorgerechtsverfahren sind dadurch geprägt, daß das Tätigwerden
des Staates maßgebend durch das Interesse des Kindes veranlaßt ist. Das Wohl des
Kindes im Sinne der allgemeinen Grundsätze, die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
zum "Wächteramt" der staatlichen Gemeinschaft entwickelt worden sind, hat den Richtpunkt
der Entscheidungen der Gerichte zu bilden (vgl. BVerfGE 31, 194 (208 f.)). Der enge
Bezug des Sorgerechtsverfahrens zum grundgesetzlich gewährleisteten Anspruch des
Kindes auf den Schutz des Staates (vgl. BVerfGE 24, 119 (144)) schließt es jedenfalls
aus, einem Minderjährigen den Zugang zum Bundesverfassungsgericht zu versagen, wenn
sein gesetzlicher Vertreter nicht willens oder nicht in der Lage ist, für ihn Verfassungsbeschwerde
zu erheben.
- a) Wegen seiner sich aus Art. 6 Abs. 2 Satz 2 und Art. 2 Abs. 1 GG ergebenden
Schutzpflichten hat der Staat für sorgerechtliche Verfahren auch in verfahrensrechtlicher
Hinsicht normative Regelungen zu schaffen, die eine hinreichende Berücksichtigung
der grundrechtlichen Stellung des betroffenen Kindes garantieren (vgl. BVerfGE 55,
171 (179)). Ob die bestehende Gesetzeslage der "Subjektstellung" des Kindes
in den Verfahren, in denen es um sein Schicksal geht, in ausreichendem Maße Rechnung
trägt, ist Gegenstand eingehender Erörterungen (vgl. Tagungsberichte - Protokolldienste
14/83 und 28/84 der Pressestelle der evangelischen Akademie Bad Boll). In diesem
Zusammenhang wird ein eigener Interessenvertreter für das minderjährige Kind gefordert.
Indessen ist hier nicht näher auf den "Anwalt des Kindes" einzugehen. Er ist derzeit
als Institution nicht vorhanden, so daß er auch nicht als Vertreter der Beschwerdeführer
zu 1) im verfassungsgerichtlichen Verfahren in Frage kommt.
- b) Wer unter elterlicher Sorge oder Vormundschaft steht, erhält für Angelegenheiten,
an deren Besorgung die Eltern oder der Vormund verhindert sind, einen Pfleger (§
1909 Abs. 1 Satz 1 BGB). Ob und unter welchen Voraussetzungen ein noch nicht 14jähriges
Kind im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit über die Regelung der elterlichen
Sorge eines Pflegers bedarf, wird in Rechtsprechung und Literatur kaum behandelt
(vgl. März, FamRZ 1981, S. 736 (737)). Die weitere Frage nach der Notwendigkeit
der Bestellung eines Ergänzungspflegers für das Verfassungsbeschwerdeverfahren,
wenn Eltern wegen eines Interessenwiderstreits an der Erhebung der Verfassungsbeschwerde
für ihre minderjährigen Kinder verhindert sind, ist bisher weder in der Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts noch in einschlägigen Kommentaren erörtert worden.
- Künftig wird in Fällen der vorliegenden Art ein Ergänzungspfleger zu bestellen
sein, sofern der Gesetzgeber nicht in anderer Weise für eine hinreichende Berücksichtigung
der Kindesinteressen im Verfassungsbeschwerdeverfahren sorgt.
- Kinder, die sich selbst noch nicht zu schützen vermögen, müssen vor Schaden bewahrt
werden, der dadurch entstehen kann, daß sie durch Sorgerechtsentscheidungen in ihrem
Persönlichkeitsrecht verletzt werden, die sie selbst wegen ihrer Minderjährigkeit
nicht mit der Verfassungsbeschwerde angreifen können. Der Gesetzgeber hat derzeit
für den Fall einer Interessenkollision zwischen Eltern und ihrem Kind mit der Ergänzungspflegschaft
(§ 1909 Abs. 1 Satz 1 BGB) eine Lösung getroffen, die geeignet ist, ein Defizit
in der Wahrnehmung der Kindesinteressen zu vermeiden. Diese gesetzliche Regelung
gibt demjenigen, der sich als Sachwalter des Kindes fühlt, die Möglichkeit, die
Bestellung eines Ergänzungspflegers zum Zweck der Erhebung einer Verfassungsbeschwerde
beim Vormundschaftsgericht anzuregen. Auf diese Weise wird erreicht, daß die Frage
eines bestehenden Interessengegensatzes zwischen dem Kind und dem Inhaber des Sorgerechts
vorab durch die Fachgerichte geprüft wird und das Bundesverfassungsgericht zudem
der Aufgabe enthoben wird, die Vertretungsbefugnis zur Erhebung einer Verfassungsbeschwerde
für ein minderjähriges Kind von Kriterien abhängig zu machen, die ihre Grundlage
nicht im bürgerlichen und allgemeinen Prozeßrecht haben.
- c) Im vorliegenden Fall ist es versäumt worden, für die Beschwerdeführer zu 1)
einen Ergänzungspfleger zu bestellen. Dies mag sich daraus erklären, daß bislang
Möglichkeit und Notwendigkeit einer Pflegerbestellung nicht hinreichend erkannt
worden sind. Damit stellt sich die Frage, ob dieses Versäumnis zur Verwerfung der
Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführer zu 1) als unzulässig zwingt. Das erschiene
unbefriedigend, da die Beschwerdeführer zu 1) keinen Einfluß auf die Pflegerbestellung
hatten, andererseits aber Kinder, die sich selbst noch nicht zu schützen vermögen,
vor Schaden bewahrt werden müssen, der dadurch entstehen könnte, daß sie Sorgerechtsentscheidungen,
die sie in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzen, wegen ihrer Minderjährigkeit nicht
selbst mit der Verfassungsbeschwerde angreifen können. Diese Erwägung könnte es
unter Beachtung von Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG möglicherweise rechtfertigen, im verfassungsgerichtlichen
Verfahren ausnahmsweise Vertreter zuzulassen, die nicht förmlich bestellt worden
sind. Als solche kämen Personen in Betracht, die - wie im vorliegenden Fall der
Beschwerdeführer zu 3) - das Kind über einen nicht unerheblichen Zeitraum befugtermaßen
in Obhut hatten. So war die verantwortungsvolle Fürsorge des nicht sorgeberechtigten
Vaters für sein Kind, das in seinem Haushalt lebte, letztlich der Grund dafür, daß
die Verfassungsbeschwerde des Kindes, vertreten durch den Vater, als zulässig angesehen
wurde (vgl. BVerfGE 55, 171 (176, 178)). Auf dem Gedanken des besonderen Schutzbedürfnisses
Minderjähriger beruht schließlich auch § 57 Abs. 1 Nr. 9 FGG. Diese Regelung läßt
die Beschwerde unter anderem gegen eine Entscheidung über die Person des Kindes
durch jeden zu, der ein berechtigtes Interesse an der Wahrnehmung dieser Angelegenheit
hat. Diese Voraussetzung ist dann gegeben, wenn der Beschwerdeführer wegen der persönlichen
Beziehung zu dem Kind verständlichen Anlaß hat, für dessen persönliches Wohl einzutreten
(vgl. Bumiller/Winkler, a.a.O., § 57 Anm. zu Nr. 9b).
C.
- Die Verfassungsbeschwerde ist jedenfalls unbegründet.
I.
- 1. Die Beschwerdeführer haben ein Recht auf eine möglichst ungehinderte Entfaltung
ihrer Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG), das allerdings den in dieser Verfassungsbestimmung
genannten Eingrenzungen unterliegt. Dem steht die Grundrechtsposition ihrer Mutter
gegenüber, die auf der Gewährleistung des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG beruht.
- Das Verhältnis des Elternrechts zum Persönlichkeitsrecht des Kindes wird durch
die besondere Struktur des Elternrechts geprägt. Dieses ist wesentlich ein Recht
im Interesse des Kindes, wie sich schon aus dem Wortlaut des Art. 6 Abs. 2 Satz
1 GG ergibt, der vom Recht zur Pflege und Erziehung spricht und schon per definitionem
das Kindesinteresse in das Elternrecht einfügt. Dem entspricht es, daß mit abnehmender
Pflege- und Erziehungsbedürftigkeit sowie zunehmender Selbstbestimmungsfähigkeit
des Kindes die im Elternrecht wurzelnden Rechtsbefugnisse zurückgedrängt werden,
bis sie schließlich mit der Volljährigkeit des Kindes erlöschen (BVerfGE 59, 360
(282)).
- 2. Bei Interessenkollisionen zwischen dem Kind und seinen Eltern kommt den Interessen
des Kindes zwar grundsätzlich Vorrang zu (vgl. BVerfGE 61, 358 (378)). Soweit es
aber um die Trennung des Kindes von seinen Eltern als dem stärksten Eingriff in
das Elternrecht geht, ist dieser allein unter den Voraussetzungen des Art. 6 Abs.
3 GG zulässig. Danach dürfen Kinder gegen den Willen des Sorgeberechtigten nur aufgrund
eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten
versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen. Mit dieser
Verfassungsnorm stehen § 1666 Abs. 1 Satz 1 und § 1666 a BGB in Einklang, nach denen
Kinder auch bei unverschuldetem Elternversagen von der Familie getrennt werden können,
wenn einer Gefährung des Kindeswohls nicht auf andere Weise begegnet werden kann
(vgl. BVerfGE 60, 79 (88)).
II.
- Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf der Anwendung des § 1666 BGB. Diese
sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
- 1. Grundsätzlich ist die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung
des Tatbestandes sowie die Auslegung und Anwendung verfassungsrechtlich unbedenklicher
Regelungen im einzelnen Fall Angelegenheit der zuständigen Fachgerichte und der
Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen. Ihm obliegt lediglich die
Kontrolle, ob die angegriffene Entscheidung Auslegungsfehler erkennen läßt, die
auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung eines Grundrechts
oder vom Umfang seines Schutzbereichs beruhen (vgl. BVerfGE 18, 85 (92); 42, 143
(147 ff.); 49, 304 (314)). Bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben lassen sich die Grenzen
der Eingriffsmöglichkeit des Bundesverfassungsgerichts aber nicht starr und gleichbleibend
ziehen. Sie hängt namentlich von der Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung
ab (st. Rspr., vgl. BVerfGE 42, 163 (168)).
- Bei gerichtlichen Entscheidungen, die Eltern das Sorgerecht für ihr Kind entziehen,
besteht wegen des sachlichen Gewichts der Beeinträchtigung der Eltern in ihren Grundrechten
aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 und Art. 2 Abs. 1 GG Anlaß, über den grundsätzlichen Prüfungsumfang
hinauszugehen, zumal der Eingriff in das Elternrecht das Kind in gleicher Intensität
selbst trifft (vgl. BVerfGE 60, 79, (91)). Dies muß aber auch dann gelten, wenn
Entscheidungen mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden, die gegen den Willen
der Kinder ihren Verbleib im Familienverband für rechtmäßig halten. Denn ein derartiger
Richterspruch ist für die Zukunft des Kindes von gleicher existentieller Bedeutung
wie seine Trennung von den Eltern.
- 2. Auch unter Berücksichtigung eines erweiterten Prüfungsumfangs lassen die angegriffenen
Entscheidungen keinen Grundrechtsverstoß erkennen.
- Daß die wirtschaftlichen Lebensbedingungen in der Bundesrepublik Deutschland ungleich
besser sind als in Zaire, bedarf keiner näheren Erörterung. Dabei kann es offenbleiben,
ob es wirklich dem Kindeswohl dient, wenn die Beschwerdeführer bei allerdings guter
Pflege und Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland verbleiben dürften, aber
endgültig die Verbindung zu ihren Angehörigen und ihrem Kulturkreis verlören. Jedenfalls
haben die Gerichte die Auswirkungen des pflichtgebundenen Elternrechts nicht verkannt,
wenn sie zu dem Ergebnis gekommen sind, der Wille der Mutter, bei ihrer Abschiebung
die Kinder nach Zaire mitzunehmen, stelle keinen Mißbrauch ihres Sorgerechts dar.
Eine andere Entscheidung müßte zwangsläufig dazu führen, daß bereits wirtschaftlich
beengte Verhältnisse der Eltern zum Entzug ihres Sorgerechts führen könnten, wenn
sie nicht freiwillig ihre Kinder besser situierten Personen überlassen.
- Auch unter dem Gesichtspunkt der günstigeren Ausbildungsmöglichkeit und beruflichen
Förderung der offensichtlich begabten Beschwerdeführer ist es von Verfassungs wegen
nicht geboten, ihren Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland durch den Entzug
des Sorgerchts der Mutter zu sichern. Hier kann nichts anderes gelten als für deutsch
Eltern. Zwar stellt das Kindeswohl die oberste Richtschnur der elterlichen Pflege
und Erziehung dar. Das bedeutet aber nicht, daß es zur Ausübung des Wächteramts
des Staates nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG gehört, gegen den Willen der Eltern für
eine den Fähigkeiten des Kindes bestmögliche Förderung zu sorgen. Das Grundgesetz
hat die Entscheidung über den Bildungsweg des Kindes in erster Linie den Eltern
als den natürlichen Sachwaltern für die Erziehung des Kindes belassen. Die primäre
Entscheidungszuständigkeit der Eltern beruht auf der Erwägung, daß die Interessen
des Kindes in aller Regel am besten von den Eltern wahrgenommen werden. Dabei wird
die Möglichkeit in Kauf genommen, daß das Kind durch den Entschluß der Eltern wirkliche
oder vermeintliche Nachteile erleidet, die im Rahmen einer ausschließlich nach objektiven
Maßstäben betriebenen Begabtenauslese vielleicht vermieden werden könnten (BVerfGE
60, 79 (94)).
- Aus den Vorgängen in Zaire mußten die Gericht nicht schließen, daß, die - im übrigen
an den Vorfällen nicht aktiv beteiligte - Mutter unfähig zur Erziehung und Pflege
ihrer Kinder sei, dies um so weniger, als diese Vorgänge einer Nachprüfung nicht
zugänglich sind.
- Das Wächteramt des Staates verpflichtete die Gerichte auch nicht, der Mutter wegen
ihres Verhaltens nach der Einreise in die Bundesrepublik das Sorgerecht für die
Beschwerdeführer zu 1) zu entziehen und es auf die Beschwerdeführer zu 2) zu übertragen.
Die Mutter hat ihre Kinder nicht in einer Weise "ausgesetzt", die ihre
Gefährdung befürchten ließ, sondern sie jeweils gezielt in die Obhut von Behörden
gegeben, von denen sie erwarten konnte, daß sie sich um die Kinder kümmern würden.
Die Gerichte haben zu Recht auf die psychische Ausnahmesituation der Mutter abgestellt,
die - offensichtlich ohne verwandtschaftliche Hilfe - mit zwei kleinen Kindern in
einer fremden Umwelt existentielle Entscheidungen zu treffen hatte. Daraus haben
sie gefolgert, das Verhalten der Mutter lasse keinen Rückschluß auf eine gegenwärtig
oder künftig zu besorgende Gefährdung des Kindeswohls durch ein Versagen bei der
Erziehung oder Versorgung der Kinder zu.
- Allerdings kann es das Kindeswohl gebieten, die Trennung der Kinder von ihren
Eltern aufrechtzuerhalten, selbst wenn die Voraussetzungen des § 1666 BGB nicht
gegeben sind. Dies kann dann der Fall sein, wenn das Kind neue Bezugspersonen gefunden
hat und die Trennung von ihnen als schweren seelischen Schock empfinden würde (vgl.
BVerfGE 68, 176). Die angegriffenen Entscheidungen haben sich auch damit befaßt
und ausgeführt, daß die Beschwerdeführer sich in Heim- und nicht in Familienpflege
befänden. Soweit die Beschwerdeführer Bezugspersonen im Kinderheimm gefunden hätten,
müßten sie sich ohnehin - worauf das Landgericht hingewiesen hat - von diesen trennen,
denn sie sollten in Familienpflege gegeben werden, wenn sie in der Bundesrepublik
Deutschland bleiben könnten.
- Auch insoweit sind die angegriffenen Beschlüsse in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz
ergangen.